Projekt: Street//Scooter
Street//Scooter – der Titel setzt sich zusammen aus Street-Photography und E-Scooter. Bei der sogenannten Street-Photography handelt es sich zumeist um People- oder Personen-Fotografie. Dabei werden Menschen in ihrem urbanen Umfeld fotografiert, um das Spannungsfeld zwischen der Stadt und den Menschen auszuloten. Das Projekt Street//Scooter bricht auf den ersten Blick mit diesem Konzept. Augenscheinlich geht es in der Fotoserie um E-Scooter, die sich in sehr kurzer Zeit einen festen Platz im großstädtischen Straßenbild erobert haben. – Aber geht es wirklich um den Gegenstand ‚Scooter‘? Oder ist nicht auch hier die Wechselwirkung mit den sichbaren und unsichtbaren Menschen das eigentliche Thema der Bilderserie?
E-Scooter werden seit Mitte 2019 von Verleihfirmen im städtischen Raum aufgestellt. Zuerst waren sowohl die Begeisterung der Einen als auch das Entsetzen der Anderen groß. Das Empfinden von Sensation und Skandal hielten sich die Waage angesichts der neuen Möglichkeiten und der gleichzeitigen Bedenken, die plötzlich im (öffentlichen) Raum standen. Zwischenzeitlich stellten bis zu 5 Anbieter über 7000 Roller auf den städtischen Bürgersteigen Münsters ab. Aber im gleichen Maße, wie sich die physische Präsens der Scooter vergrößerte, wurde das Thema in der Wahrnehmung kleiner.
Bereits 3 Jahre später, im April 2022, habe ich meinen ersten E-Scooter als etwas völlig Alltägliches fotografiert – etwas, das sich in der Wahrnehmung kaum noch von parkenden Autos, Bushaltestellen oder Straßenlaternen unterschied. Dieses erste Foto machte mich im Nachhinein stutzig: Wie schnell man sich doch an Neues gewöhnt. Wie schnell man etwas nur noch sieht ohne es wirklich wahrzunehmen.
Mit dieser Erkenntnis begann für mich das Fotoprojekt Street//Scooter Gestalt anzunehmen: Es ging darum, Dinge im Alltag wieder wahrzunehmen. Am Beispiel der E-Scooter begann ich die Serie Street//Scooter. Dabei wurde sehr schnell klar, dass es im Kern weniger um das Ding E-Scooter geht, sondern viel mehr um die Menschen und wie diese mit dieser neuen Materialisierung von Modernität und Mobilität im städtischen Alltag umgehen. Es entstanden innerhalb von 1 Jahr weit über 60 Aufnahmen, die ich wöchentlich bei Instagram veröffentlicht habe.
Die Bilder erzählen Geschichten über die Fahrer der E-Scooter, die Passanten und über den Umgang mit Konflikten. Es stellen sich Fragen wie „was ist das für ein Mensch, der sowas mit einem Leih-Scooter tut“ oder auch „wo ist wohl der verschwundene Fahrer abgeblieben„. Vielleicht neigt man bei der Betrachtung des einen oder anderen Bildes auch zu einer Vermenschlichung des Gegenstand ‚E-Scooter‘, wenn man beginnt sich zu fragen, wie sich wohl der Scooter auf dem Bild fühlt.
Ausstellung
Da es auch bei diesem Projekt um Wahrnehmung geht, ist ein wesentlicher Teil des fotografischen Prozesses, die Rezeption der Aufnahmen. Entsprechend sind die Bilder ausgestellt worden. Aus den über 80 bei Instagram veröffentlichen Bildern wurde nun eine Auswahl zusammengestellt. In dieser Ausstellung im La Vie wurden die Bilder nebeneinander hängend als Serie erfassbar. Nicht der moderne (Smartphone-)Bildschirm, sondern das fast schon anchronistische Schwarz-Weiß Foto, lädt dazu ein, genau hinzuschauen und das moderne und das zeitlose abzuwägen.
Die Eröffnung fand am 7. Mai statt. Für das musikalische Rahmenprogramm konnte ich den begnadeten Gitarristen Joan Carlos Sabater gewinnen. Es war ein spannender und inspierender Nachmittag.
Und auch über die Austelltung hinweg sollte den Bilder wirken, wenn die Besucher*innen die Ausstellung wieder verlassen und zurück in den realen urbanen Raum wechseln: Was mag er/sie dort Neues entdecken? Was nimmt er/sie wahr, was bis dahin übersehen wurde? Das dies gelungen ist, zeigten viele Gespräche, die ich in der Folge mit Menschen führte, die mich auf die Street//Scooter-Bilder ansprachen.
Presse
In der Ausgabe 2/2023 findet berichtet der Gievenbekcer über die Ausstellung Street//Scooter im Stadtteilzentrum La Vie. Eine Ausstellung bei der es um E-Scooter, Menschen und Streetfotografie geht. Der Journalist Siegmund Natschke stellt in seinem ausführlichen Artikel die Ausstellung vor und beschreibt möglichen Lesarten der ausgestellten Bilder. Wer sich also aus unabhängiger Quelle informieren möchte, dem sei der aktuelle „Gievenbecker“ ans Herz gelegt (>>> zum Gievenbecker).
Der „Gievenbecker“, das ist ein Presse-Magazin, das regelmäßig über die Dinge berichtet, die die Menschen in Münsters zweitgrößtem Stadtteil bewegen. Die Ausgaben sind voll gestopft mit interessanten Beiträgen – z.B. über Kunst im LWL-Museum, über lokale Gastronomie, über die Droste (von Hülshoff) oder auch neue Sportarten, die im Stadtteil angeboten werden.